Blick auf den majestätischen Chimborazo
Montag, 9. September 2024
Von Guamote nach Baños
Die gemeinnützige Initiative betreibt aber nicht nur das Gästehaus, sondern auch einen Kindergarten, eine Schule,
eine Näherei und einiges mehr. Auch hier gibt es wieder interessante Sachen zu kaufen, meist in gewebter Form. Das Spektrum reicht von kleinen Lamas (mit Magneten für den Kühlschrank) und Topflappen
bis hin zu Sport-Caps und Laptop-Taschen. Wir bleiben uns treu und kaufen den Laden leer.
So schauen Kids aus, die zum ersten Mal in den KIndergarten gehen.
Heute ist für etliche Kids der erste Kindergartentag. Da ist es schon etwas Besonderes, wenn so viele Gringos mit
dabei sind. Kinder und Eltern sind in ihren Sonntagsklamotten da. Insgesamt werden rund 270 Kinder im Kindergarten und in der Schule betreut und unterrichtet.
Ecuador und seine Eisenbahn
Die Eisenbahn Ecuadors arbeitete nur wenige Jahre gewinnbringend. Der Unterhalt der Strecke war sehr teuer, vor allem wegen der Regenfälle, Erdrutsche und Überschwemmungen. Die Eisenbahn galt als
schwierigste der Welt. Vor allem der Andenanstieg an der Teufelsnase (1901) gilt als Meisterleistung.
1994 wurden aus Frankreich neun Lokomotiven für insgesamt 28 Mio. $ erworben, die aber nicht für das Schienennetz Ecuadors geeignet waren.1998 wurde die Bahnstrecke durch El Niño stark beschädigt.
Unter Präsident Rafael Correa wurden zwischen 2010 und 2015 506,7 km Strecke für 386,8 Mio. $ saniert, insgesamt besteht das Eisenbahnnetz aus 966,1 km. Im Mai 2020 beschloss der
ecuadorianische Präsident Lenín Moreno die Bahngesellschaft aufzulösen. Viele Dörfer haben ihre wirtschaftliche Grundlage verloren, 2.000 Eisenbahner wurden arbeitslos.
Älteste Kirche Ecuadors
Einen Stopp machen wir noch in Colta auf 1.820 Metern Höhe.
Im Ort steht die älteste Kirche
Ecuadors, 1534 gegründet und der Geburt der Jungfrau Maria von
Balbanera gewidmet. Bevor ein neuer Pfarrer kam, war diese ziemlich
verfallen. Er hat dem Gotteshaus eine Radikalkur verpasst. Neben der Kirche gibt es einen kleinen Laden. Dort gibt es nicht nur Klosterbier und einen Kirschlikör sondern z.B. auch jede Menge Salben
und Tropfen für verschiedenste Wehwehchen.
Ort: Colta, Büro des Bürgermeisters. 9.35 Uhr. Der Einzelhandelsvorsitzende: "Herr Bürgermeister, haben Sie
schon gehört, nachher kommen die Deutschen." Bürgermeister: DIE Deutschen?" Einzelhandelsvorsitzender: "Ja genau, DIE Deutschen!" Bürgermeister: "Worauf warten Sie noch. Sofort alle Marktstände
öffnen!" Würde mich gar nicht wundern, wenn dieser Dialog nicht meiner Phantasie entsprungen ist...
Colta: Die Iglesia de Balbanera, die älteste Kirche Ecuadors
Neben der Kirche hat ein Handwerker seinen Stand aufgebaut. Er verarbeitet die Früchte der
Tagua-Palme, das „vegetarische Elfenbein“. Er gestaltet damit filigrane kleine Kunstwerke, etwa Schildkröten und Kolibris, aber auch religiöse Motive. Ein paar Schritte weiter wartet eine Dame mit
ihren Wollprodukten. Wir haben sichergestellt, dass alle heute mit ihren Umsatz hochzufrieden sind. Einige von uns kaufen Mützen – auch ich gehöre dazu (Meine Handschuhe sind zwar im Koffer, aber
nicht mein Stirnband, warum auch immer).
Besteigung des höchsten Berges der Erde
Das war der angenehme Teil des Tages. Jetzt fahren auf den wolkenverhangenen
Chimborazo zu, den höchsten Berg der Erde. Höchster Berg der Erde? Yep, wenn man die Höhe ab Erdmittelpunkt rechnet. Die Erde ist allen Dementis zum Trotz keine Scheibe (Gell, Donald?). Sie ist aber
auch nicht kreisrund, sondern durch ihre Drehbewegung eher eine Ellipse und am Äquator „dicker“ als an den Polen. So kommt es, dass die Entfernung zwischen Erdmittelpunkt und Chimborazo-Gipfel (6.263
Meter) rund zwei Kilometer höher liegt als zwischen Erdmittelpunkt und Gipfel des Mount Everest.
Wir nähern uns dem Chimborazo. Da vorne irgendwo soll er sein.
Vermutlich der erste,
der versucht hat, dort hochzukommen, war der Urvater der Geografie, Alexander von Humboldt, am 23. Juni 1802. Ganz hat er es nicht geschafft, er selbst schreibt, dass er bis etwa 5.900 Meter gekommen
sein sollte.
Der Chimborazo
Wenn sich dann aber fast zwei Jahrhunderte später ein Reinhold Messner hinstellt
und dessen Leistung nicht würdigt („Humboldt ist nur bis auf 5.600 Meter gekommen“), ist das eher peinlich. Unabhängig davon, dass der Gletscher nur noch ein Bruchteil der Länge hat, heute darf
jemand die Leitung nur dann schlecht machen, wenn er die gleichen Schuhe, die gleiche Kleidung und die gleichen Hilfsmittel einsetzt, wie von
Humboldt.
Mich
fasziniert, dass Humboldt hier in Ecuador viel populärer ist als in Deutschland. Klar die Oberfranken sollten ihn kennen, schließlich hat er 1792 in Goldkronach den Goldabbau wieder
rektiviert.
Ganz hoch kraxeln wir nicht, sondern „nur“ von der ersten zur zweiten Schutzhütte,
also von ca. 4.830 auf rund 5.023 Meter, die Strecke beträgt etwa zwei Kilometer. Hört sich harmlos an. Ist vielleicht auch harmlos für Typen wie Reinhold Messner. Ich bin aber nicht Reinhold
Messner!!!
Obwohl ich es – wie fast alle anderen auch – langsam angehen lasse, ist der Weg da
hoch sehr steinig, und zwar nicht nur auf die Konsistenz des Bodens bezogen. Die frisch gekaufte Mütze ist Gold wert, aber eine Skibrille wäre auch ein sehr praktisches Teil gewesen, vor allem immer
dann, wenn einem der Wind den ganzen Staub voll ins Gesicht und in die Augen bläst. Im Bus kann ich nachher Peeling
machen!
Rund 200 Meter vor der Hütte verweigert mein Körper – er weiß halt, was gut für ihn
ist. Mein Ego und sicher auch der Gruppenzwang peitschen mich trotzdem weiter vorwärts, ich komme schließlich auf 5.023 Metern Höhe an, fix und foxy, aber
zufrieden.
Wir hatten echt Glück mit dem Wetter. Keine halbe Stunde vor unserem Aufstieg
klarte es auf und kaum waren wir wieder am Bus, zog es wieder zu.
Mein Körper kennt halt seine Grenzen. Etwa eine halbe Stunde nach Abfahrt bekomme
ich Brechreiz, die Höhenkrankheit lässt grüßen. Zwei oder drei Stunden später geht es mir aber wieder ganz gut. Ich sitze bewusst weiter vorne im Bus und nicht auf der Rücksitzbank. Bis zum
Abendessen bin ich wieder fit.
Horrorfahrt nach Baños
Der Weg ist das Ziel - welcher Weg?
Vorher müssen wir aber erst mal nach Baños kommen. Da gibt es zwei Straßen, eine gut ausgebaute, deutlich längere mit starkem Gefälle und eine andere, schlecht ausgebaute, bei der man sich eine
halbe Stunde spart. Bei der Abzweigung in diese Straße kommt ein Hinweisschild, dass sie sich in einem schlechten Zustand befindet – Untertreibung des Jahrhunderts! Die Straße ist – nicht zuletzt
wegen des intensiven Regens – in einem grottenschlechten Zustand. Die Lehmstraße löst sich quasi auf.
Wir durchfahren einen zwei Meter breiten Bach mit starker Strömung, kommen eine
Steigung, wo die Felsen rausschauen nur mit Mühe hoch. Dann kommt aber ein weiterer Bach mit hoher Fließgeschwindigkeit, fünf Meter breit. Hinter dem Bach macht die Straße eine 90
Grad-Kurve.
Die Straße nach Banos: Der Weg ist das Ziel - oder auch nicht,
Während wir noch diskutieren, ob eine Weiterfahrt verantwortbar ist, kommt ein
Überlandbus, schlittert an uns vorbei, bleibt abrupt stehen und schmeißt alle Blinklichter an, die er hat. Und so ein ecuadorianischer Bus hat mehr Blinklichter als Sitze. Zufälligerweise kommt ein
Jeep des Verkehrsministeriums vorbei. Sah aus wie Dobrindt und handelte auch so, nämlich gar nicht.
Wir drehen um und nehmen die andere Strecke. „Wir drehen um“ hört sich bei einem 16
Sitzer-Bus einfacher an, als es ist. Wie der Überlandbus gewendet hat, weiß ich nicht. Kurz vor der steilen Abfahrt auf der gut ausgebauten Straße nach Baños kommen uns zwei schwere Feuerwehrfahrzeuge entgegen...