14.09.2020
Oh Mann, bin ich fertig!
Heute Morgen wache ich ziemlich gerädert auf. Nein, nicht wegen der Staus oder so, die habe ich längst weggesteckt. Sondern, weil mir die Klimaanlage die ganze Nacht, obwohl ausgeschaltet, volle Kanne ins Gesicht geblasen hat. Vertrage ich gar nicht!
Frühstück: keine Wurst, kein Käse?
Zum Frühstück geht es über eine Brücke zum Frühstücksraum. Um den Andrang zu entzerren, werden Frühstückszeiten vorgegeben. 6:00 und 10:00 waren noch frei. Hey Leute, ich bin im Urlaub. Nix mit 6:00 Uhr :-D. Beim Frühstück finde ich weder Wurst noch Käse. Kann doch nicht sein?! Ist auch nicht so. Die verschiedenen Sorten sind – wie auch Marmelade, Honig, Joghurt, Bircher Müsli, Obst usw. - in kleinen Einweckgläsern portioniert. Corona lässt grüßen. Ist aber ein sinnvoller Ansatz.
Welche Baustelle hätten’s denn gern?
So toll das Hotel für Ziele in der Speicherstadt liegt, so schlecht ist es wegen der vielen Baustellen als Ausgangspunkt für andere Teile Hamburgs geeignet. Die nächste U-Bahn-Station „Überseequartier“ liegt irgendwo mitten zwischen den Baukränen. Die Häuser in diesem Teil der Hafencity stehen zwar noch nicht, aber wenigstens ist die U-Bahn-Station schon in Betrieb.
U-Bahn, S-Bahn, Bus, Fähre, Flugtaxi
Die U-Bahn-Linie 4 hat eine merkwürdige Streckenführung. Sie führt zwar unter der Elphi durch, dort gibt es aber keine Haltestelle, weil die Strecke zu tief unten liegt. Überhaupt gibt es zwischen der Station „Überseequartier“ und dem Jungfernstieg keine einzige Station. Ungewöhnlich, eine so lange Strecke derart zentral gelegen ohne Zwischenhalt.
Ein guter Deal ist die Hamburg Card für 10,50 Euro: Gilt nicht nur bei Bussen und Bahnen, sondern auch bei allen Fähren; außerdem gibt es Rabatt etwa für eine Hafenrundfahrt.
Hamburger Hochbahn: Gäste unerwünscht?
Auf der anderen Seite kenne ich aber kein anderes ÖPNV-Netz mit derart unübersichtlichen und/ oder versteckten Informationen. Da haben ein paar Leute ihre Hausaufgaben nicht gemacht. In Moskau, Osaka oder Chendu kam ich besser klar, obwohl ich die Schrift nicht mal lesen konnte…
Die Übersichtspläne, die man braucht, um die richtige Fahrtrichtung zu wählen, sind z.B. immer unten 10 cm über dem Fußboden angebracht. D.h., ich muss jedes Mal auf die Knie für diesen Plan oder ich frage den nächstbesten dahergelaufenen Hund, am besten einen Dackel oder Spaniel, die haben den S- und U-Bahnplan genau in Augenhöhe.
Tolles Rathaus
Ich steige also am Jungfernstieg aus, wo Hamburger und Touristen an der Binnenalster flanieren oder eines der Cafés bevölkern. Ich werfe einen Blick ins beeindruckende Rathaus und den Innenhof. Dort ist auch der Sitz der Hamburger Handelskammer. Im Gebäude der HK gibt es auch das Restaurant „Pfeffersack“. Hmm. Tradition, Schimpfwort oder Selbstironie?
Unbekannter „Alsterwanderweg“
Kaum bekannt ist der nächste Teilabschnitt des Alsterwanderwegs. Hamburg scheint neuerdings am Äquator zu liegen, weshalb ich einen kurzen Abstecher zu meinem Hotel mache, um die lange Hose gegen eine kurze zu tauschen.
… und wieder ‘ne Baustelle
Von da aus laufe ich zur nächsten Bushaltestation und fahre mit dem Bus zu den Landungsbrücken, um mir ein Ticket für eine Lichtertour zu organisieren. Leider holen mich die Baustellen wieder ein: Eine Station vor meinem Ziel ist die Straße gesperrt, so dass der Bus gut 15 Minuten zur nächsten Haltestelle braucht. Hätte ich das gewusst, wäre ich die 500 Meter gelaufen oder mit der Fähre rüber.
Fähre nach nirgendwo bzw. nach Finkenwerder
Die Fähre kommt nach dem Ticketkauf zum Einsatz. Am Dockland-Bürogebäude steige ich aus. Dem futuristischen Gebäude, das einem Schiff nachempfunden ist, kann man auf das Dach steigen.
Alter Sack!
Hinter mir steigt eine Gruppe Jugendlicher hoch, offenbar mit dem Plan, links an mir vorbeizuziehen. Auf zwei Drittel der Strecke machen sie schlapp und einer keucht: „Verdammt, zieht der alte Sack aber ab!“ Jungs, „alt“ ist relativ, aber danke für das Kompliment! Das muss ich aber weitergeben an einen 82-jährigen, den ich anspreche, weil er in der Zeit, während ich die Aussicht genieße, die Treppen viermal rauf und runter gelaufen ist. Der läuft jeden Tag die jeweils rund 140 Stufen 20 Mal rauf und runter. O.k., ich genieße lieber weiter die Aussicht.
Weiter nach Övelgönne
Ich fahre mit der Fähre noch ein Stück weiter zur alten Kapitänssiedlung Övelgönne, wo etliche ältere Schiffe vor Anker liegen. Dort gönne ich mir den ersten Imbiss seit dem Frühstück, inzwischen geht es auf 16 Uhr zu. Das Café ist wunderbar an der Elbe gelegen, bei der Qualität gibt es noch Luft nach oben.
Über den Dächern von Hamburg
Mit dem Bus geht es zum Bahnhof Altona und von dort aus zum Michel, wo ich den Kirchturm „besteige“. 105,1 Meter bringt mich der Lift nach oben, bei der Bullenhitze mehr als angenehm. Nach dem Genuss der spektakulären Aussicht geht es zu Fuß wieder runter. So sieht es das Hygienekonzept vor.
Peter kauft sich Haarklammern!!! Hä???
Im Zeitalter der Baustellen ist man in Hamburg unendlich lange unterwegs. Ich schaffe es gerade noch, im Drogeriemarkt zwei Haarklammern und eine große Plastiktasche zu kaufen, mich zu duschen und mir sicherheitshalber was Warmes zum Anziehen zu greifen, bevor ich schon wieder los muss in Richtung Landungsbrücken, ohne etwas gegessen zu haben.
Fragt ein Sumoringer: Ist das die Lichterfahrt?
Um 20 Uhr beginnt die Bootsfahrt durch den Hafen. 19:30 Uhr sollen wir da sein. Als ich um 19:20 Uhr ankomme, stehen schon 30 Leute da. Während wir warten, kommt von hinten ein Sumoringer, quetscht sich vorbei an Freund und Feind und fragt dabei „Geht es hier zur Lichterfahrt?“ Ich sage noch zu ihm, ohne mir groß was zu denken „Auch ‘ne elegante Art, sich vorzudrängeln“. Es sollte sich herausstellen, dass der Sumoringer (a) Geburtstag hat und (b) unser Kapitän ist. Der bedankt sich außerdem (c) dafür, dass zum allerersten Mal seit 2 Jahren mal einer was zu seinem vordrängeln gesagt hat. „Alle anderen bisher schweigen und leiden.“
Als die ersten 30 auf der Barkasse sind, heißt es, alle anderen nehmen die andere Barkasse. Und zwar, und das rechne ich den Jungs von der Reederei hoch an, in der aktuellen Reihenfolge. So komme ich als erster auf die zweite Barkasse und kann mir den besten Platz aussuchen.
Hamburger Hafen: Wir machen die Nacht zum Tag
Und dann geht es erst einmal an der Elphi und der Peking vorbei, bevor wir wenden und in Richtung Sonnenuntergang fahren. Als wir die MS Europa passieren, ist es stockfinster. Das Dockland-Bürogebäude schaut nachts eigentlich noch besser aus, als bei Tag. Wir kommen vorbei an der HMM Algeciras, dem größten Containerschiff, das aktuell die Meere befährt, mit Platz für 23.964 Container. Die Algeciras ist das erste von 12 baugleichen Schiffen, die in den nächsten Jahren gebaut werden sollen.
Hafen: Wegen Corona im Minus
Im ersten Halbjahr verzeichnet der Hamburger Hafen ein Minus von 12 % bei der Tonnage. Dass der Verlust nicht höher ausfällt, liegt auch daran, „...dass Hamburg der westlichste Hafen für den Osten ist, der nördlichste Hafen für den Süden und der östlichste Hafen für den Westen.“
Hunger! Hunger! Hunger!
(Eventuelle Ähnlichkeiten mit lebenden Personen sind rein zufällig.)
An den Landungsbrücken bekomme ich noch richtig guten Fisch zu Essen. Gut organisierter Laden. Man scannt einen QR-Code ein, der auf jedem Tisch zu finden ist, füllt das Dokument aus zur Corona-Nachvollziehbarkeit, bevor die Speisekarte freigeschaltet wird. Und geschmeckt hat das Essen beim „Captain’s Dinner“ auch noch. Es zeigt sich wieder mal, dass man nicht nach der Fassade gehen darf.
Und was macht er jetzt mit den Haarklammern?
Wieder im Hotel, kommen die große Plastiktüte und die Haarklammern zum Einsatz. Mit vier Reisewäscheklammern mache ich die Plastiktasche am obersten Querbalken des Gitters der Klimaanlage fest, mit den beiden Haarklammern das untere Ende des Beutels. Der Beutel schaut jetzt aus wie ein Segel, wo von hinten kräftig der Wind rein bläst. Mir wurst, wie es ausschaut. Hauptsache, die Klimaanlage bläst mir nicht wieder die ganze Nacht ins Gesicht.
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