22.09.2020
Wohin als Nächstes?
Wohin fahre ich als Nächstes? Bleibe ich hier in der Gegend oder fahre ich doch lieber Richtung Schwerin und weiter an die Ostsee? Ich entscheide mich für letzteres.
Rheinsberg: Vorlage für Sanssouci?
Aber vorher geht es erst einmal nach Rheinsberg mit seiner Schlossanlage. Auch diese wunderschön an einem See gelegen und eine Nummer größer als das Schloss von Mirow. 1734 kaufte Soldatenkönig Friedrich Wilhelm I. das Schloss für seinen Sohn Friedrich. Binnen weniger Jahre entwickelte sich Rheinsberg von einer Ackerbürgerstadt zu einer kleinen barocken Residenzstadt.
Friedrich (der Große) mit ersten Feldversuchen
Bei Friedrich, der das Schloss geschenkt bekam, handelt es sich um keinen geringeren als Friedrich dem Großen. Während seiner Rheinsberger Zeit philosophierte und musizierte er im Kreise von Künstlern, Musikern und Gelehrten. Auch fand er fand großen Gefallen daran, Schloss und Parkanlagen herzurichten.
Rheinsberg ist also so etwas wie die Blaupause für das spektakuläre Sanssouci, so etwas wie eine Probierstube. Halt kleiner, überschaubarer, bescheidener und wesentlich weniger bekannt, also weniger überlaufen. Man glaubt gerne, dass er hier die glücklichste Zeit seines Lebens verbrachte, wenn man sich die Leichtigkeit und Verträumtheit der Anlage vor Augen hält.
Von Knobelsdorff darf es richten
Nach dem großen Brand von 1740 wurde die Stadt nach den Plänen von Georg Wenzeslaus von Knobelsdorff wieder aufgebaut, die 1762 gegründete Fayencenmanufaktur hat bis heute Weltruf. Von Knobelsdorff war auch derjenige, der ab 1745 Sanssouci realisierte.
Spieglein, Spieglein an der Wand...
Aber zurück nach Rheinsberg. Das Schloss liegt direkt am See, wo es sich auch spiegelt. Die Lage am See ist kaum zu toppen. Geht man vom Schloss durch die Parkanlage zum Obelisken auf der anderen Seeseite, entstehen immer wieder neue Sichtachsen, man bekommt nicht nur das Schloss aus immer wieder neuen Perspektiven zu sehen. Nach Friedrich dem Großen, seinem jüngeren Bruder, Prinz Heinrich von Preußen, Theodor Fontane und Kurt Tucholsky verliebe auch ich mich in das Schloss und die Stadt.
Überraschung am Wegesrand
Auf dem Weg Richtung Schwerin sehe ich ein paar Kilometer hinter Rheinsberg eine etwas heruntergekommene Kirche im kleinen Örtchen Rossow. Auffallend der Holzturm, der nicht direkt mit der Kirche verbunden ist, da liegt ein schmaler Spalt dazwischen.
Inzwischen weiß ich, dass die Kirche über 500 Jahre alt ist und dass der Glockenturm saniert und die beiden alten Glocken repariert wurden. Und – die große Überraschung – bei der Wahl zur „Kirche des Jahres“ der Stiftung zur Bewahrung kirchlicher Baudenkmäler landete die kleine Kirche auf dem dritten Platz. Offenbar haben auch andere dieses Kleinod für sich entdeckt. Mein Reiseführer hat sie offenbar noch nicht entdeckt.
Parchims „Gute Stube“
Ich komme auch noch im Städtchen Parchim vorbei, einer der ältesten Städte Mecklenburgs. Im Zentrum erheben sich rund um den Alten Markt ein Rathaus mit einer höchst ungewöhnlichen Fassadengestaltung. Außerdem die Hallenkirche St. Georgen und der St.-Marienkirche, beide aus dem 14. Jahrhundert, die Ecke ist so etwas wie die gute Stube der Stadt.
„Schweinekram“: Nackte Frau am Marktplatz
Umstritten ist die nackte Frau, die auf einem Stier-Totenkopf sitzt. Erinnert mich an die seinerzeitige Diskussion um die „Liegende Frau“ von Botero in Bamberg.
Die Diskussion um die Frau auf dem Stierkopf kochte auch deshalb hoch, weil der dazugehörige Brunnen saniert werden müsse. Nach aktuellem Status Quo bleibt die Frau. Auch wenn das nicht jedermanns Sache ist, wie ich beim Fotografieren gemerkt habe, als eine Mittdreißigerin plötzlich keift, wie man „...so einen Schweinekram…“ fotografieren könne. Oh ja, die Diskussion wird offenbar immer noch erbittert geführt.
Alleen überall
Auch wenn man auf den meisten Straßen nicht besonders schnell vorankommt, das Autofahren macht hier Spaß, man bekommt immer wieder was zu sehen und die meiste Zeit fährt man durch eine Allee, mal auf geradlinigen und breiten Straßen, mal auf extrem schmalen mit häufigem Richtungswechsel.
In Schwerin entscheide ich mich mal wieder für ein Motel am Stadtrand. Meine Ansprüche sind ja wirklich nicht hoch, aber um die Sch… und die Haribo-Verpackungen meines Vorgängers wollte ich mich eigentlich nicht kümmern.
Schloss und Dom prägen Stadtbild
Schon beim Reinfahren sticht einem das Mecklenburger Schloss ins Auge. Aber um das kümmere ich mich später. Zunächst einmal geht es in die Innenstadt der Landeshauptstadt mit ihren 95.000 Einwohnern.
O.k., ein so schönes Wetter schmeichelt praktisch jeder Stadt. Aber trotzdem, im Areal um den Dom und den Markt lässt es sich gut aushalten. Hier gibt es auch noch nette kleine Geschäfte, die frisch gerösteten Kaffee, Duschseife, Tee oder Töpferwaren verkaufen und nicht nur die gängigen Ketten.
Säulen und Tudor: Stilmix am Marktplatz
Das auffälligste Gebäude am Neuen Markt ist zweifellos das „Neue Gebäude“, ursprünglich als Markthalle errichtet. Am besten gefällt mir aber das im Tudor-Stil gehaltene Rathaus. Diese Gebäude korrespondieren gut mit dem wuchtigen Dom, der ab 1270 erbaut wurde. Draußen am Dom dominiert der in den Hansestädten gängige Backstein.
Unerwarteterweise ist der Innenraum der Kirche in einem hellen, freundlichen Weiß gehalten, was die Kirche filigraner, lichter und laafer, pardon, heller, wirken lässt. Coronabedingt lässt sich der Domturm leider nicht besteigen. Schade!
Dom und Schloss dominieren die Stadtkulisse an den mehr oder weniger entgegengesetzten Enden der Stadt.
Schwerin: Vorlage für Neuschwanstein?
Apropos Schloss: Mit seinen unzähligen Türmchen, Erkern und Aufbauten erinnert mich das von 1843 bis 1857 umgebaute Schloss ein wenig an Neuschwanstein. Wer weiß, vielleicht hat Ludwig II. von Bayern dieses Schloss mal zu Gesicht bekommen und sich gesagt, „na, den Flachlandtirolern zeige ich es jetzt.“ Derartige Gedankengänge sind allerdings nicht überliefert.
Schloss mit großem Schlosspark
Das Schloss liegt vor den Toren der Stadt zwischen dem Burg- und dem Schweriner See. Dahinter der große Schlosspark und die schwimmenden Gärten.
Dort begegne ich ein paar Flüchtlingen, Mitte 20, mit denen ich ins Gespräch komme. Als ich auf deren Frage antworte, dass ich aus Kulmbach komme, meint einer, sei eine schöne Stadt mit einer tollen Bowlingbahn. Das macht mich dann doch etwas stutzig. Es stellt sich heraus, dass ein Freund von ihm beim Bowling mit dabei war, das die Wirtschaftsjunioren mal für Flüchtlinge organisiert haben. Etwa fünf Jahre dürfte das her sein. Die Welt ist halt doch klein.
Doch, die Kirche ist richtig groß!
Ghettoblaster vs. eigener Band
In den letzten Tagen ist mir aufgefallen, dass Ghettoblaster offenbar wieder in Mode kommen. Nicht diese Riesenteile, wie in den 1980ern, sondern eher diese tonnenförmigen Lautsprecher fürs Smartphone.
Habe beschlossen, zu kontern und habe meine eigene Band dabei. Auf dem einen Foto meine Band gegen 17 Uhr unweit des Marktplatzes, auf dem zweiten Foto gegen 19 Uhr beim Schloss.
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Tag 14: Von Schwerin über Wiligrad, Wismar und Rostock nach Prerow
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Endlich mal eine sinnvolle uns bestens nachvollziehbare Entfernungseinheit!