Chan Chan

Von Trujillo über Moche nach Chan Chan

 

Die Huaca de la Luna aus dem 3. bis 8. Jahrhundert

 

Gelangweilte Kids

 

Auch in Trujillo erwartet uns wieder ein Guide. Immerhin spricht dieser Englisch, sodass die mühseligen und langwierigen Übersetzungen entfallen.

 

Am Hauptplatz erwartet uns eine Parade. Die Teilnehmer, offenbar Schüler, schauen alles andere als begeistert aus. Die Paradestrecke ist allenfalls 100 Meter lang. Eine Gruppe marschiert immer in Reih und Glied zu Marschmusik an der Tribüne der Ehrengäste vorbei. Kaum ist die Gruppe vorbei, gibt es eine Ansprache, bevor die nächste Gruppe vorbeimarschiert. Und so weiter, und so weiter.

 

 

Als ich zu unserer Reiseleiterin Carlotta sage, dass die Kids auf mich sehr gelangweilt wirken, bestätigt sie meine Vermutung. Sie erinnert sich nur äußerst ungern an diese Märsche, die sie als Schülerin immer gehasst hat. Das kann ich bestens verstehen. Diese gibt es nicht nur ein in Mal im Jahr, sondern gleich mehrfach. Zum Nationalfeiertag, zum Gründungstag der Provinz, zum Gründungstag der Stadt, zum Gründungstag der Schule...

 

 

Wenigstens geht es in der Kathedrale fröhlicher zu, wo Kinder, wohl so zwischen 5 und 8 Jahre alt, Verfangen spielen, während ihre Mutter versuchen, dem Gottesdienst zu folgen. Die Gitarrenmusik und die wohlwollende Fröhlichkeit führen zwangsläufig zu der Frage, ob das nicht auch ein Vorbild für unseren mitteleuropäischen Gottesdienst sein könnte. Sogar der Priester macht ein zufriedenes Gesicht. Danach bekommen wir noch 10 Minuten, bevor es zur Mondpyramide geht. Wie bitte, das war die Stadtbesichtigung ??? Hatte ich gestern Abend schon alles gesehen. Bloß intensiver. Und ausführlicher. Außerdem emotionaler.

 

 

Auf zum Mond!

 

Ist aber nicht so schlimm. Was uns am Mond erwartet, Pardon: Was uns an der Mondpyramide erwartet, ist dafür absolut atemberaubend!

 

Um die Ausgrabungen bei der Mondpyramide zu schützen, hat man diese entsprechend überdacht.

 

Von weitem schauen die Sonnen- und Mondpyramide aus wie Sandberge. Ohne Schutz würden sie dank El Nino auch in kürzester Zeit zu eben solchen werden, handelt es sich doch um Bauten aus ungebrannten Lehmziegeln. Als die Moche (ca. 100 bis mindestens 850 n. Chr.) diese errichteten, war diese Gegend knochentrocken. Es regnete praktisch nie, sodass ein Leben nur dank einer intelligenten Bewässerung der Felder über den Rio Moche möglich war. Sie mussten aber auch nicht befürchten, dass die Pyramide vom Regen weggeschwemmt wird.

 

Auf der Suche nach dem El Dorado vermuteten die spanischen Konquistadoren Goldschätze unter der Sonnenpyramide. Deshalb fluteten sie das monumentale Bauwerk, zerstörten zwei Drittel der Pyramide und hinterließen einen trotz der riesigen Dimensionen kläglichen Lehmhügel.

 

Hier erkennt man gut ein paar Tausend der Millionen Lehmziegeln

 

1899 entdeckte der deutsche Archäologe Max Uhle in den verschiedenen Ebenen der sechs Stufen der Mondpyramide verschiedenfarbige Malereien und Reliefs. Wenn man diese das erste Mal sieht, hält man unwillkürlich den Atem an. Auch ich, der dankenswerterweise schon weit herumgekommen ist.

 

 

Hinter jeder Ecke eine neue Überraschung

 

Immer, wenn man vor Staunen den Mund nicht mehr zukriegt, biegt man um die nächste Ecke und staunt nur noch mehr. Einfach der absolute Wahnsinn! Gott sei Dank konnte der weitere Verfall der Mondpyramide dank entsprechender Dächer und Regenrinnen weitgehend gestoppt werden.

 

 

Am meisten fasziniert mich, wie fein die Bilder dreidimensional herausgearbeitet sind und vor allem, wie gut erhalten sie auch nach mehreren Jahrhunderten immer noch sind, stammt die Pyramide doch aus der Zeit zwischen dem 3. und dem 8. Jahrhundert.

 

 

Mit einem Grundriss von 80 x 60 Metern und einer Höhe von 21 Metern ist die Mondpyramide die deutlich kleinere der beiden (Sonnenpyramide: 345 x 140 / 41 Meter, ursprünglich wohl dreimal höher). Die Sonnenpyramide wurde zwar von den Moche erbaut, die heutige Ummantelung stammt aber von den Chimu.

 

Lebensgrundlage der Moche war ein Bewässerungssystem, das sich über eine Länge von mehr als 1.200 Kilometer erstreckt.

 

Da sie außerdem vergleichsweise erdbebensicher gebaut hatten, ist bie heute absolut unklar, warum bzw. wodurch diese Kultur verschwand. Auch das Phänomen El Nino war ihnen bekannt und sie wappneten sich gegen diese Naturkatastrophen.

 

Es gibt Anzeichen dafür, dass sich das Reich irgendwann in ein Nord- und ein Südreich teilt. Bürgerkrieg beim Kampf ums Wasser? Festungen in den Bergen legen außerdem nahe, dass es Feinde gegeben haben muss, etwa die Huari (oder Wari). Es ist denkbar, dass die Kultur im Nachbarvolk aufgeht, den Huari.

 

 

So nicht!

 

Heute mussten wir intervenieren. Dringend. Umgehend. Kompromisslos. Als wir einen kurzen Fotostopp bei der Sonnenpyramide machen, sagt unser lokaler Reiseleiter zu mir, ich möge mich bitte beeilen, wir hätten nach dem Mittagessen nur noch maximal 30 Minuten für Chan Chan, weil die Anlage um 17 Uhr schließt und die Fahrt zum Mittagessen mindestens 45 Minuten dauert. Wie bitte? Ich glaube, ich bin im falschen Film!!!

 

 

Na also, geht doch: Chan Chan

 

Wir hatten gaaaanz schnell durchgesetzt, dass wir erst zur Weltkulturerbestätte Chan Chan fahren und danach essen gehen. Aber hallo!

 

 

Auch Chan Chan ist wieder unglaublich. Chan Chan war die Hauptstadt des Reiches von Chimu, größter Widersacher der Inka und Nachfolger der Mochica. Dieses Volk beherrschte von ca. 1000 bis 1460 (Unterwerfung durch die Inka) die Küstenwüste im Norden Perus. Chan Chan dehnte sich auf ca. 20 qkm aus, bestand im sechs Quadratkilometer großem Zentrum aus zehn Ciucadelas. In der Blütezeit lebten hier – mitten in der Wüste – rund 100.000 Menschen!

 

Weltkulturerbe Chan Chan

Gerade einmal elf Weltkulturerbestätten gibt es laut UNESCO-Homepage in Peru. Erstaunlich wenig. Kann es sein, dass sich seit der Kolonialzeit nichts geändert hat und südamerikanische Kultur immer noch als "minderwertig" im Vergleich zur europäischen eingeschätzt wird?

 

Bei Chan Chan handelt es sich um nicht weniger als die größte Lehmziegelstadt der Welt. Zu besichtigen ist bislang der Palacio Tschudi, benannt nach dem gleichnamigen Archäologen, der an vielen wichtigen Ausgrabungen in Peru beteiligt war.

 

 

Auch hier lässt El Nino grüßen. In dieser Gegend regnet es eigentlich so gut wie nie. Ein Bodennebel, verursacht durch den kalten Humboldtstrom ja, aber Regen: nein. Das hätten die Lehmziegel nie so lange überlebt. In einer der größten Regenfluten, die es je in Nordperu gab, lösten sich 1925 erhebliche Teile von Chan Chan wortwörtlich in Wasser auf. 1997, 1998, 2010 und 2015 gab es erneut starke Regenfälle, die allen Bereichen, die noch nicht überdacht waren, ebenfalls schwer zusetzten.

 

 

Am Beispiel von Chan Chan zeigt sich, wie wichtig es ist, das Erbe der Menschheit zu bewahren. Jetzt. Nicht morgen oder irgendwann einmal! Dazu braucht es Geld (ist sehr knapp) und Fachpersonal (noch knapper), schließlich müssen Ausgrabungen und Konservierungen professionell erfolgen.

 

... und noch ein paar Fotos von den Pyramiden der Mochica

 

Jetzt haben wir aber Hunger!

 

Danach konnten wir total relaxt, wenn auch hungrig, zu unserem Strandrestaurant fahren. Dort haben wir auf einem Balkon im 1. Obergeschoss bei erstklassigen Fischspezialitäten einen tollen Blick auf den Strand, die Seebrücke, die Wellenreiter und die Fischer in ihren traditionellen, seit Jahrhunderten so hergestellten Booten. Nach einem kleinen Strandspaziergang geht wieder ein wunderschöner Tag zu Ende.

 

Besonders großes Interesse findet der Fischer, der im ersten Schritt aus minderwertigem Fisch Köder vorbereitet, dann sein Schilfboot ins Meer zieht und dann seinen Weg durch die hohen Wellen sucht, um frischen Fisch zu fangen.

 

An der Playa Varadero Huanchaco vor den Toren Trujillos
Solche Boote werden seit mehreren Jahrhunderten unverändert gebaut.

Aus unserer Sicht gibt es hier den besten Pisco Sour der Reise (und den billigsten dazu): Robin's, direkt neben der Iglesia La Merced.

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© Peter Belina