Sipán

 

Am Hexenmarkt

 

Also gut, auf zum Hexenmarkt! Es ist 7 Uhr. Dummerweise öffnet der Mercado de Brujo auch erst um 7 Uhr. Die Hexen und Heiler von Welt kommen erst später. Einige wenige Stände mit verschlafenen Heelern machen langsam auf. Wir sind die einzigen potenziellen Käufer, also sind unter uns offenbar keine Hexen und Heiler von Welt dabei. Unabhängig davon, dass noch nichts los ist: Liebe Fachhändler vom Chiclayo-Hexenmarkt: Seid mir bitte nicht böse, Eure Konkurrenz am Hexenmarkt in La Paz hat da doch etwas mehr zu bieten!

 

Nachdem wir an ein paar Kräutern gerochen, ein paar Amulette angeschaut und ein paar Steine angefasst haben, geht es ins Dorf Sipán.

 

 

Nach dem Hexenmarkt taucht plötzlich der Zwillingsbruder des örtlichen Reiseleiters von gestern auf. Das ist die einzige logische Erklärung dafür, dass der Mann plötzlich komplett ausgetauscht wirkt. Unsere Intervention (u.a. mit meinem "Liftgespräch") hat offenbar gefruchtet. Er hat heute die Zeit im Auge, seine Erklärungen sind logisch, schlüssig und haben gleichzeitig die richtige Länge. Und vor allem telefoniert er nicht laufend mit Gott und der Welt. Er kann es sich nicht mal verkneifen, uns ab und an bei Nachfragen mit einem süffisanten Lächeln darauf hinzuweisen, dass er dies oder jenes bereits erläutert ausführlich hat. Der Mann fängt an, mir zu gefallen.

 

Beim Spazieren gehen in Deutschland höre ich öfter mal Uhus. Ich kann mich aber nicht erinnern, schon mal Eulen in freier Weildbahn gesehen zu haben. Und hier gehören sie quasi zum Inventar!

 

Sensationen versteckt unter einem Sandhaufen

 

Unweit der heutigen Siedlung Sipán liegen wieder zwei riesige Sandhaufen. Nach jedem großen Regen wird wieder etwas mehr Sand fortgeschwemmt. Im Laufe der Jahrhunderte entstehen immer mehr Risse, über die das Regenwasser abfließt. Wer kann schon ahnen, dass sich dort die größten archäologischen Sensationen Perus seit Jahrzehnten verstecken? Es handelt sich letzten Endes nicht um Hügel, sondern - der aufmerksame Leser ahnt es längst - um Adobe-Pyramiden. Grabräuber hatten diesen Sandhaufen wohl jahrzehntelang schlicht und ergreifend nicht im Fokus. Er sah einfach zu sehr nach stinknormalem Sandhaufen aus.

 

 

Nachdem mit Ausgrabungen begonnen worden war, weckte der Hügel aber leider auch ganz schnell das Interesse von Grabräubern, die Nachts und zu Zeiten, als keine Archäologen vor Ort waren, auf eigene Faust zu graben begannen. Erst nachdem Wachmannschaften zu patrouillieren begannen, bekam man das Problem in den Griff. Wie knapp das Wettrennen war, zeigt ein Schuhabdruck nur 20 Zentimeter über der Grabkammer des „El Senor de Sipán“. Näheres auch in einem wirklich lesenswerten Artikel der Süddeutschen Zeitung.

 

 

1987 wird das unberührte Grab (Betonung auf "unberührt") des „El Senor de Sipán“ entdeckt. Eine absolute Sensation! Inzwischen hat man etliche weitere sensationelle Gräber aus verschiedenen Jahrhunderten gefunden. Eine Sensation jagte die nächste.

 

Wenn der liebe Peter in einem so kurzen Absatz dreimal das Wort "Sensation" benutzt, hat er sich was dabei gedacht...

 

 

Diese Funde waren nicht weniger als die größte Sensation ;-) der jüngeren peruanischen Archäologie. Mit den gewonnenen Funden haben die Fachleute unglaublich viel erfahren über die Mochica-Gesellschaft.

 

 

Ein solches unbeschädigtes Grab erzählt den Archäologen mehr über eine Gesellschaft als einhundertmal so viele Fundstücke aus verschiedenen Standorten. Die Geschichte Südamerikas wurde quasi wieder einmal neu geschrieben.

 

 

Neben dem Grab des „Herrn von Sipán“ wurden noch weitere gefunden, etwa das des „Alten Herrschers von Sipán“ oder das Grab des Priesters. Zwischen dem "Alten Herrscher von Sipán" und dem "Herrn von Sipan" liegen rund 200 Jahre, wahrscheinlich sind die beiden miteinander verwandt.

 

 

Grabstätten an den Original-Fundplätzen nachgebildet

 

Sehr gut gefallen hat mir, dass beim Tempel selbst die verschiedenen Gräber 1:1 rekonstruiert wurden, so wie man sie gefunden hat, und im benachbarten Museum oder im nahegelegenen Museo Tumbas Reales de Sipán die Originale ausgestellt sind. So bekommt man einerseits die unglaublichen Originalschätze zu sehen, kann aber gleichzeitig den Bezug zum Fund selbst ohne allzu große geistige Sprünge nachvollziehen. In dieser didaktisch total interessanten Form hatte ich das woanders noch nie erlebt.

 

 

Ein sensationelles Museum für einen sensationellen Fund

 

O.k., o.k., das Wort "sensationell" kommt etwas oft vor. Aber sorry: jetzt, wo ich die Fotos wieder vor mir sehe, bekomme ich regelrecht Gänsehaut.

 

Ein Kapitel für sich ist das Museo Tumbas Reales mit Grabfunden aus Sipán, das wir als Nächstes besuchen. Ohne Zweifel eines der beeindruckenden und am besten aufbereiteten Museen überhaupt. Stünde es in Berlin, Paris, London oder New York, würden die Menschen hier ohne Zweifel Schlange stehen, um reinzukommen. Hier in Lambayeque (58.000 Einwohner, Zensus 2017) hält sich der Andrang in Grenzen. Schön für uns, aber schade für das tolle, 2002 eröffnete Museum, dass es nicht mehr Menschen anzieht.

 

 

Trotzdem gehören aus meiner Sicht solche Fundstücke in die Region, wo sie gefunden wurden. So toll ein Metropolitan Museum of Art in New York oder ein Pergamon-Museum in Berlin ist, wenn Objekte dort ausgestellt sind und nicht vor Ort, geht irgendwie der Bezug verloren.

 

 

Umgekehrt würde das natürlich bedeuten, dass Objekte, die aktuell bequem mit dem Auto bzw. dem ÖPNV erreicht werden können, eben von sehr, sehr vielen Kulturinteressierten besichtigt werden können. Eine echt schwierige Frage. Aus Sicht der "Geberländer" kann ich die Raubkunst-Debatte bestens nachvollziehen.

 

 

So toll das Museo Larco Herrera in Lima mit seinen Keramiken war, weil man dort einen fantastischen Überblick über die verschiedensten Kulturen erhält, es muss auch genug für die Museen vor Ort übrig bleiben.

 

 

Zusammen mit der Seilbahn von Kuelap ist das Museum eine der großen Infrastrukturmaßnahmen im Norden Perus, um mehr Besucher anzulocken. Zum Leidwesen der Verantwortlichen aber bisher ohne durchschlagenden Erfolg. Und das, obwohl diese Region zweifellos zu den Ausnahmeregionen gehört, wo eigentlich alles passt: landschaftliche Vielfalt, extreme kulturelle Diversität, freundliche Menschen, gute Küche und – ganz wichtig ;-) – erstklassigem Pisco Sour.

 

 

Blick auf die Anden

 

Nach einem Essen geht es dann auch schon zum Flughafen. Eigentlich gibt es für mich nur einen Sitzplatz im Flieger, am Gang. Da der Flug aber nur eine Stunde dauert, will ich diesmal einen Sitzplatz am Fenster, und zwar auf der linken Seite, also mit Blick auf die Anden.

 

 

 

 

 

Leider ist es die meiste Zeit diesig beim Flug, sodass wir nur zeitweise eine gute Sicht haben.

 

Es ist wieder sehr spät, als wir im Hotel ankommen. Zu viert gehen wir noch zum Italiener direkt neben dem Hotel, wo ein leckeres Essen auf uns wartet. Dort verabschieden wir Walli und Karl-Heinz, die sich morgen in aller Herrgottsfrühe in den Dschungel absetzen.

 

 

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© Peter Belina