Saigon

 

26.11.23

Saigon - Unterwegs in der Metropole Vietnams

Am Vormittag steht unser nächster Flug an. Vietnam ist in etwa so groß wie Deutschland. Nur viel, viel länger! Die Nord-Süd-Ausdehnung beträgt 1.650 Kilometer. Zum Vergleich: Deutschland ist 900 km lang. in Mittelvietnam ist das Land nicht mehr als 50 Kilometer breit.

 

 

Wir landen am späten Nachmittag in Ho-Chi-Minh-Stadt, vielen eher bekannt als Saigon. “Sai Gon” gibt es immer noch, so heißt nämlich der zentrale Bezirk.

 

 

Die Stadt ist ein wahrer Moloch mit einem verwirrenden Einbahnstraßensystem. Immerhin sind wir im Laufe des Vormittags dreimal am Wiedervereinigungspalast vorbeigefahren. Bevor wir diesen aber nicht besuchen, geht es erst einmal zum Ben Tanh-Markt, der in einem Riesengebäude untergebracht ist. Wer auf der Suche ist nach Klamotten, ist dort richtig, aber auch wer authentische Küche ausprobieren will. Also bin ich dort an der richtigen Stelle.

 

Vor dem Wiedervereinigungspalast machen wir ein Gruppenfoto; rein dürfen wir nicht, weil heute dort eine wichtige Sitzung stattfindet.

 

 

Nichts für empfindliche Gemüter: Das Kriegsrelikte-Museum

Richtig brutal wird es danach im Kriegsrelikte-Museum. Das Museum hieß mal “Museum der amerikanischen und chinesischen Kriegsverbrechen”. Ein Name, der nicht unbedingt Besucher angelockt hat. Verbrechen der Vietcong - wen überrascht das? - werden bis heute unter den Teppich gekehrt. Immerhin wird inzwischen auch von den Kommunisten Vietnams anerkannt, dass es in der US-amerikanischen Bevölkerung zunehmend eine Anti-Kriegs-Einstellung gab.

 

Eine Friedensglocke, erstellt aus 500 Pfund Bombenmaterial.

Ich habe mich auf zwei Räume konzentriert. Einmal auf den “Agent Orange”-Raum. Dort wird mit Fotos eindringlich gezeigt, was dieses Teufelszeug alles verursacht hat. Einfach nur erschütternd! Ich möchte gar nicht auf Details eingehen, war ich doch den Tränen nahe, als ich den Raum verlassen hatte.

 

Nicht weniger eindringlich war der Raum mit den ausgestellten Fotos von Kriegsreportern und ‑fotografen. In Augenhöhe waren etliche Fotos aufgehängt, unten waren dann jeweils für mehrere Bilder kurze Erläuterungen zu finden über das wann und wo und den jew. Fotografen. Auffällig: Bestimmt drei Viertel der Fotos, die mich berührt hatten, stammen von dem in Vietnam geborenen Franzosen Henri Huet.

 

Es wundert mich nicht, dass es seine im Life Magazine veröffentlichten Fotos waren, die maßgeblich zu einem Stimmungsumschwung der US-Bevölkerung und ihrer Haltung zum Vietnam-Krieg geführt haben. Huet kam 1971 zusammen mit vietnamesischen Soldaten und anderen Fotografen bei einem Hubschrauberabsturz ums Leben und ist damit eines der vielen Opfer unter den Kriegsberichterstattern dieses Krieges.

 

Schätzungen zufolge sind rund sechs Millionen Menschen während des dritten Vietnam-Krieges gestorben.

 

Eckdaten Vietnamkrieg

  • 21. Juli 1954: Die Teilung Vietnams
  • Juli 1956: Südvietnam lehnt Wahlen ab
  • 05. August 1964: Eingreifen der USA
  • 02. März 1965: Operation Rolling Thunder startet
  • 08. März 1965: US-Kampftruppen betreten Südvietnam
  • 31. Januar 1968: Tet-Offensive startet
  • 16. März 1968: Massaker in Mỹ Lai
  • 31. Oktober 1968: Ende der US-Bombenangriffe
  • Juli 1969: Die Nixon-Doktrin
  • März 1970: Invasion Kambodschas
  • März 1972: Invasion Südvietnams
  • 27. Januar 1973: Waffenstillstand wird unterzeichnet
  • 30. April 1975: Ende des Vietnamkrieges

Mehr zum Vietnamkrieg hier.

 

Wir flanieren noch kurz die Dong Khoi-Straße entlang. Einige der wichtigsten Bauwerke sind französischen Ursprungs, die direkt nebeneinander liegende Kathedrale (Baugerüst), das Opernhaus und die Hauptpost. Bereits seit 1891 kann man dort Briefmarken kaufen, Pakete abgeben usw. Die Atmosphäre nimmt mich gefangen.

 

 

Tommy!

Und dann kam Tommy. Wenn Außerirdische vor dem Postamt gelandet wären, wäre das nicht halb so spektakulär gewesen wie dieser kleine Junge, der dort plötzlich vor mir stand. Zusammen mit ein paar anderen aus der Reisegruppe saß ich auf einer Sitzbank und ließ die Atmosphäre im alten Postamtes und die vibrierende Atmosphäre auf mich wirken, als dieser Dreikäsehoch plötzlich ein Gespräch mit mir beginnt.

 

Ich bekenne mich schuldig: Ich hatte erst gedacht, das ist ein Kind, das mir etwas verkaufen will, so wie man es etwa aus Indien, den Anden oder Marokko kennt. Asche auf mein Haupt!

 

Tommy ist sieben Jahre alt, wohnt in Ho Chi Minh-Stadt und hat drei Geschwister, wie ich im Laufe der Konversation - sorry, der Begriff “Gespräch” wäre zu profan - erfahren sollte. Tommy spricht absolut akzentfrei englisch mit einem breiten Wortschatz und möchte alles Mögliche von mir wissen. Im Gegenzug erfahre ich auch einiges von ihm. Dass er nicht weiß, wo Deutschland liegt oder was Europa ist, geschenkt! Als siebenjähriger Steppke hätte ich mit “Vietnam” oder “Asien” auch nichts anfangen können. Aber alleine die Tatsache, dass er einen Wildfremden (dazu noch einen langen Lulatsch und eine “Langnase” wie mich) anspricht - damit hat er sich meinen Respekt verdient. Ich kann mir nicht vorstellen, dass ich mich mit sieben Jahren getraut hätte, einen Wildfremden anzusprechen - und dazu noch in einer Fremdsprache! Ääääh: In welcher Fremdsprache?

 

Ich glaube, man kann in diesen wenigen Zeilen spüren, wie sehr mich diese Begegnung geflasht hat!

 

Das ist Tommy, 7 Jahre alt...

 

Nix Bitexco Financial Tower!

Der nächste Tag wirft seine Schatten voraus. Abfahrt ist um 5 Uhr früh, damit wir auf dem Weg zu unserer umgebauten Reisbarke noch einen Abstecher zum schwimmenden Markt von Cai Rang machen können. Diese frühe Abfahrt war notwendig geworden, weil wir die Strecke mit dem Schiff quasi verkehrt herum machen, wir starten am Ziel und beenden die Eintageskreuzfahrt am ursprünglichen Start.

 

Eigentlich wollten wir heute Abend noch einen Abstecher auf das Saigon Skydesk in der 49. Etage des Bitexco Towers machen mit dem zweifellos fantastischem Blick auf die Skyline der Neun-Millionen Metropole.

 

 

Statt dessen gehen wir um 18 Uhr zu dritt essen in ein koreanisches Lokal gegenüber unseres Hotels. Ich habe vorher noch kurz Zeit, aufs Dach unseres Hotels hochzufahren, um ein paar Fotos von der Skyline zu machen. Pustekuchen! Das ganze Dach ist für eine Hochzeitsfeier gebucht. Der Brautvater lässt mich aber dankenswerterweise noch kurz nach oben. Danke!

 

Promotion! Promotion! Lecker, lecker!

Das koreanische Lokal hat erst neulich eröffnet, die Mitarbeitenden sind sehr freundlich und bemüht, müssen sich aber noch ein wenig einarbeiten. Aufgrund einer Promotionsaktion kosten zwei der Hauptgerichte auf der ersten Seite der Speisekarte nicht 95.000, sondern nur 25.000 Dong. Zum Vergleich: Ein Bier kostet 35.000, für vietnamesische Verhältnisse auch eher im unteren Bereich. Hilfreich ist an dieser Stelle eine Info zum Wechselkurs: Für einen Euro hatte ich beim Geldwechsel 27.800 Dong erhalten.

 

Heute geht es früh ins Bett. Ein Fenster hat mein Zimmer nicht, dafür aber eine japanische “Western style toilet", wo ich die Klobrille genauso auf meine Lieblingstemperatur einstellen kann, wie das Massage- und das Reinigungswasser, die Intensität und und und...

 

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© Peter Belina